Gefühle fand ich früher immer scheiße, vor allem die schlechten. Ich mochte lieber meinen Verstand, das Kontrollierbare.
Ich war schon immer sehr empfindlich. Hab Sachen nicht vertragen, war schnell gekränkt von anderen, hab viel gemacht, damit sie freundlich waren und damit es nicht weh tat. Ich konnte mich nie überwinden, Lebensmittel zu essen, die ich nicht mochte. Mir wurde von manchen Gerüchen echt schlecht.
Aus meiner Kindheit und Jugend erinnere ich mich an Sätze wie „Stell dich nicht so an!“ und „Du bist schwierig“, sobald ich meine Bedürfnisse klar geäußert habe, wie: Ich mag das nicht. Ich vertrag das nicht. Das kratzt. Ich kann die Sonne nicht aushalten.
Das hat mit sich gebracht, dass ich mich mal bewusst, mal unbewusst falsch gefühlt habe.
Genauso auch, dass ich durch das Verhalten anderer verletzt war. Ich hatte zum Beispiel mal einen Freund, der nach Streits 24 Stunden untergetaucht ist und sich dann erst wieder gemeldet hat. Damals fand ich das herzlos. Heute weiß ich, dass er einfach anders damit umgegangen ist als ich.
Wenn ich einen Streit hatte, wollte ich das gern möglichst schnell klären, weil mein ganzer Körper auf Alarmbereitschaft war.
Was ich damals nicht wusste und erst mit Ende zwanzig herausgefunden habe, ist, dass ich hochsensibel bin. Kannte ich bis dahin gar nicht.
Während meiner ersten Coachingausbildung musste ich mir einen Lehrcoach suchen, um selbst die Erfahrung zu machen, Coachingklientin zu sein. Und dieser Coach hat mir von Hochsensibilität erzählt.
Hochsensibel zu sein, heißt tatsächlich, sensibler zu reagieren. Weniger Filter nach außen zu haben. Schlechter trennen zu können, was von einem selbst und was von außen kommt. Ich kann mich zum Beispiel an einen Moment erinnern, wo ich in Düsseldorf am Rhein entlang gegangen bin und meine Stimmung schlagartig ins Negative wechselte. Ich hab mich umgedreht um zurückzublicken und war gerade an einem Pärchen vorbeigegangen, das heftig stritt.
Die Intensität von Hochsensibilität ist übrigens unterschiedlich. Ich habe mal davon gelesen, dass ein Schulkind immer Probleme hatte, dass andere Kinder es „geschlagen“ haben und Eltern und Lehrer nicht mehr weiter wussten. Bis sie herausgefunden haben, dass das Kind normale Berührungen von anderen Kindern als Schläge empfunden hat.
Tatsächlich sollen 10-15% jeder höher entwickelten Spezies (also nicht nur von uns Menschen) hochsensibel sein. Mittlerweile ist der Begriff gar nicht mehr so unbekannt und es gibt einiges an Literatur darüber. Laut der Fachliteratur sind 70% der Hochsensiblen introvertiert, sodass sich auch viel der Literatur an Introvertierte richtet.
Ich bin extrovertiert, zähle also zur Minderheit der 30% und kenne einige der Probleme nicht, die von den Experten genannt werden. Ich habe zum Beispiel kein Problem damit, in einen Club zu gehen, in dem Musik gespielt wird.
Dafür nehmen Leute mich erstmal als fröhlich und stark wahr, als könne mich nichts umhauen. Den Ruhigeren wird ja eher zugestanden, dass sie empfindlich sind, als den Aufgedrehten.
Als ich damals von der Hochsensibilität erfahren habe, fand ich es erstmal einfach erhellend. Das, was ich da immer gefühlt hatte, war ok!
Später habe ich noch mehr darüber gelernt.
Wir haben alle ein oder zwei dominantere Sinneskanäle, über die wir stärker wahrnehmen. Vielleicht kennst du das zum Beispiel von Lerntypen
So gibt es auch bei Hochsensiblen vor allem visuelle Typen, die viel über den Sehsinn wahrnehmen. Darauf folgen die auditiven Typen, die beim Hören empfindlicher sind. So hatte ich zum Beispiel eine Kundin, die am liebsten mit großen Kopfhörern rausgeht, um sich vor den Geräuschen der anderen draußen zu schützen.
Danach gibt es noch den kinästhetischen Typen, der beim Fühlen viel empfindlicher ist. Dazu gehöre ich.
Diesem wird auch oft gustatorische (schmeckende) und olfaktorische (riechende) Wahrnehmung zugeordnet.
Das bringt übrigens auch mit sich, dass ich mich nicht so gut an Bilder und Musik erinnern kann, sondern viel mehr an meine Gefühle und Wahrnehmungen, die ich dabei hatte.
Irgendwann habe ich mal einen Vortrag dazu besucht. Dabei ging es darum, ob Hochsensibilität für Erwachsene ein Fluch oder Segen ist. Ich konnte da schon für mich feststellen, dass ich das eher neutral sehe. Ich weiß, wo mich das Fühlen und die starke Wahrnehmung beeinflussen. Und ich weiß zu schätzen, was mein Körper mir alles zeigt und wo ich auf ihn hören kann.
Falls du dich jetzt wiedergefunden hast, empfehle ich dir, dich ein bisschen schlau zu machen zu diesem Thema, also noch schlauer als nach meiner Podcastfolge 😉
Vielleicht trifft es auch nicht auf dich zu, aber du erkennst Bekannte, Kollegen oder vielleicht sogar deine Kinder wieder.
Was du auf jeden Fall mal ausprobieren kannst, ist folgendes – und bitte mach das nur, falls du nicht gerade im Auto sitzt oder so:
Schließ deine Augen mal und erinnere dich an deinen letzten schönen Urlaub. Was nimmst du wahr?
Drück am besten mal auf Pause und schwelge ein wenig in den angenehmen Erinnerungen.
Wie hast du das wahrgenommen? Hast du Bilder gesehen? Etwas gehört? Die Sonne auf der Haut gespürt?
Das ist eine gute Übung, um herauszufinden, welches dein bevorzugter bzw. dominanter Sinneskanal ist.
Ganz viel Spaß beim Wahrnehmen!
Be happy & be light
Deine Janina
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